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Eine kurze Analyse von D. H. Lawrence’s ‚Self-Pity‘

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Über eines der kürzesten Gedichte von Lawrence – analysiert von Dr. Oliver Tearle

‚Self-Pity‘ ist eines der kürzesten Gedichte, die D. H. Lawrence je geschrieben hat, aber es ist es wert, hier (mit ein paar kurzen Worten der Analyse) vorgestellt zu werden, weil es im Gegensatz zu ‚Sons and Lovers‘ oder einem Gedicht wie ‚Snake‘ nicht so bekannt in seinem Werk ist. Das Gedicht füllt kaum ein Drittel einer Seite in seinen The Complete Poems (Penguin Twentieth Century Classics).

Selbstmitleid

Ich sah nie ein wildes Ding
Selbstmitleid.
Ein kleiner Vogel fällt totgefroren von einem Ast
ohne sich jemals selbst bemitleidet zu haben.

‚Self-Pity‘ ist das, was D. H. Lawrence selbst als ‚Stiefmütterchen‘ bezeichnete: wie die Blume ist dieses Gedicht eine pensée, ein kleiner Gedanke, nicht dazu gedacht, etwas Größeres oder Nachhaltigeres zu sein. (Lawrence mag dabei an Ophelias Worte aus Hamlet gedacht haben: ‚Und es gibt Stiefmütterchen, das ist für Gedanken‘.)

Wie die imagistischen Gedichte, die von seinen Modernisten-Kollegen geschrieben wurden (und es ist erwähnenswert, dass Lawrence, obwohl er kein echter Imagist war, in der frühesten imagistischen Anthologie erschien, die von Ezra Pound 1914 herausgegeben wurde), ist „Self-Pity“ kurz, flüchtig, augenblicklich, konzentriert auf eine einzige Beobachtung, ausgedrückt in klarer Sprache und freien Versen. Das Gedicht ist auch einem japanischen Haiku oder einem von Adelaide Crapseys kurzen Cinquains nicht unähnlich.

In der Tat ist das Gedicht, wie einige von Lawrences berühmtesten Gedichten, wie z.B. „Snake“ (das wir hier analysiert haben), in freien Versen geschrieben, aber es kreist um die zentralen drei Worte „sorry for itself“, die zweimal wiederkehren, einmal in der zweiten Zeile und dann noch einmal am Schluss des Gedichts, was geschickt die Art und Weise andeutet, wie Selbstmitleid selbstverzehrend und letztendlich selbstzerstörerisch ist.

Das Gedicht ist dem eines ganz anderen Dichters der Moderne, T. S. Eliot, nicht unähnlich, dessen „Introspection“ die Idee der Nabelschau und Selbstuntersuchung als einen selbstverliebten und solipsistischen Akt der Selbstzerstörung darstellt, wie der Wurm Ouroboros, die Schlange, die bekanntlich ihren eigenen Schwanz verschlingt.

Aber wir könnten auch eine Verbindung zwischen diesem kleinen Lawrence-Gedicht und einem Gedicht ziehen, das ein Jahrhundert früher von Mary Lamb, der Schwester des Essayisten Charles Lamb, geschrieben wurde. Mary Lamb ist am besten für ihre „Tales from Shakespeare“ in Erinnerung, die sie zusammen mit ihrem Bruder schrieb, aber sie war auch eine gute Dichterin. Ihr Gedicht „Envy“ (Neid) drückt ein Gefühl über Neid aus, das dem von Lawrence über Selbstmitleid ähnelt:

Dieser Rosenbaum ist nicht gemacht, um
Das blaue Veilchen zu tragen, noch die schöne Lilie,
Noch die süße Mignonette:
Und wenn dieser Baum unzufrieden wäre,
Oder seine natürliche Neigung ändern wollte,
würde er sich vergeblich ärgern.

Genauso wie Mary Lamb nie einen Rosenbaum sah, der neidisch auf den Veilchen- oder Lilienbaum war, so sah Lawrence ’nie ein wildes Ding / das sich selbst leid tat‘.

Entdecken Sie mehr von Lawrence‘ Lyrik mit seinem Gedicht über Unfrieden in der Kindheit, seinem wunderbaren Gedicht ‚Green‘ und seinem ‚New Heaven and Earth‘. Sie können auch alle Gedichte von Lawrence in einem wunderbaren dicken Band erwerben, The Complete Poems (Penguin Twentieth Century Classics).

Der Autor dieses Artikels, Dr. Oliver Tearle, ist Literaturkritiker und Dozent für Englisch an der Universität Loughborough. Er ist u.a. Autor von The Secret Library: A Book-Lovers‘ Journey Through Curiosities of History und The Great War, The Waste Land and the Modernist Long Poem.

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